Nadine

Als ich 1991 mit einem verkürzten großen Zeh auf die Welt kam, ahnte keiner, dass dieser nicht nur eine harmlose Fehlbildung, sondern ein wichtiges Früherkennungsmerkmal für FOP ist.

Im Jahre 2005 (also im Alter von 13 Jahren) hatte ich meinen ersten Schub in der linken Hüfte. Ich selbst bemerkte das allerdings nicht, da ich zum Glück keine Schmerzen und auch im Alltag keine Einschränkungen hatte, sondern meiner Mama war mein humpelndes Gangbild aufgefallen. Nach einem Ärztemarathon landeten wir schlussendlich im Universitätsklinikum Freiburg, wo ich die Diagnose „Myositis Ossificans Progressiva“ (alter Name für FOP) erhielt. Trotz dieser richtigen Diagnose wurde ich 3x an der Hüfte operiert, was zu meinem großen Glück aber keine weiteren Schübe auslöste.

Erst 2014 bekam ich meinen zweiten Schub; dieses Mal im Kiefer. Von heute auf morgen merkte ich, dass ich meinen Mund nicht mehr richtig öffnen konnte. Mein Zahnarzt war ratlos und so landeten wir wieder im Universitätsklinikum Freiburg. Obwohl ich als Vorerkrankung FOP angab, wurde meine Kieferklemme dem Prüfungsstress durch mein Biologie-Studium zugeschrieben und so wurde ich ein viertes Mal operiert. Das regelrechte Aufsprengen meines Kiefers resultierte post-operativ innerhalb weniger Tage in einer Mundöffnung von nur noch 2 mm(!), im Vergleich zu 2 cm prä-operativ. Mit meiner eingeschränkten Hüftbewegung hatte ich mich gut arrangieren können, aber die Kieferklemme war für mich sehr schlimm. Ich esse für mein Leben gern und plötzlich konnte ich die Mahlzeiten nicht mehr genießen, weil essen einfach nur noch anstrengend war und alles andere als Spaß machte. Soziale Events, welche in irgendeiner Weise mit Essen zu tun hatten, bereiteten mir großes Unbehagen, weil mein ungewöhnliches Essverhalten meiner Meinung nach sehr auffällig war und ich viele Dinge auch schlichtweg nicht mehr essen konnte. Wenn ich in ein Restaurant essen ging, wählte ich meinen Sitzplatz sehr sorgfältig aus, um beim Essen möglichst vielen Leuten den Rücken zuzuwenden, sodass mich keiner anstarren konnte.

Meinen dritten Schub in der rechten Schulter im Jahre 2017 versuchten wir –leider ohne anhaltenden Erfolg -mit einer hohen Dosis an intravenöser Gabe von Cortison zu stoppen. Dieser Schub raubte mir am meisten Selbstständigkeit und Lebensqualität; selbstverständliche Bewegungen waren auf einmal nicht mehr möglich.

An diesem Punkt wurde mir erst so richtig bewusst, dass man leider viel zu wenig schätzt was man hat, bis man es nicht mehr besitzt. Nichtsdestotrotz versuche ich nach wie vor das Beste aus jeder Situation zu machen, positiv zu bleiben und ich lasse mich nicht von meinen Einschränkungen unterkriegen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen; der eine ein kleineres, der andere ein größeres. So gehe ich bestmöglich und mit großer Freude meinen Hobbies nach: Querflöte im Orchester spielen, im (Gospel)-Chor singen, backen, kochen, reisen, lesen, Fahrradfahren und schwimmen.

Auf privater Ebene steckt mein ganzes Herzblut darin, Aufmerksamkeit für FOP durch Spendenveranstaltungen, SocialMedia Beiträge etc. zu wecken. So engagiere ich mich auch als stellvertretende Vorstandsvorsitzende in unserem Verein (FOP e.V.) und repräsentiere uns zudem als sogenannte „International President’s Council member“ (IPC) bei internationalen Treffen der amerikanischen FOP Vereinigung (IFOPA).

Außerdem ist es mir aber auch beruflich ein großes Anliegen geworden, die FOP Forschung noch weiter voranzutreiben. So kam es, dass ich erst meine Master-, und nun auch Doktorarbeit über ein FOP-bezogenes Thema schreibe.

FOP hat mich noch stärker gemacht und ist für mich kein Schicksalsschlag, sondern eine Bestimmung.